Die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung

Material Die Zurschaustellung wilder Tiere als koloniale Aneignung

Schwarz-Weiß-Foto eines Ausstellungsraums. Oberhalb eines Verkaufsstands mit diversen Produkten wie Stoffen, handgemachten Gegenstände und Kaffee, hängt ein Banner mit der Aufschrift „Kolonial-Haus Karl Eisengräber“. Ein „Weißer“ Mann steht rechts im Bild hinter dem Verkaufsstand, am anderen Ende des Verkaufsstands befinden sich zwei „Schwarze“ Männer. An der Wand sind weitere Objekte zu sehen, so z.B. Kaffeeverpackungen, darüber hängen zahlreiche, unterschiedlich große, gehörnte Tierschädel.

Foto des 1903 erstellten Offiziellen Katalogs der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung (Karlsruhe: G. Braunschen Hofbuchdruckerei, 1903: 62-63), das ethnografische Objekte und Tiertrophäen unmittelbar nebeneinander zeigt.

Dieses Foto zeigt den Raum des Kolonialwaren-Handelshauses Karl Eisengräber in der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung zu Karlsruhe 1903. Es bezeugt nicht nur die komplexe Bildsprache, die die Kolonialpolitik der europäischen Großmächte im 19. Jahrhundert begleitete, sondern liefert uns auch Hinweise auf die Rolle von Tieren in diesem Zusammenhang, und nicht zuletzt darüber, wie Tiere gefangen und ausgestellt wurden.

Organisiert wurde die Ausstellung von der Deutschen Kolonialgesellschaft, die wiederum 1887 mit dem Ziel gegründet worden war, die weitere Erkundung Ostafrikas voranzutreiben und die deutsche Kolonialpolitik zu stärken, sowie den ‘kolonialen Gedanken’ in der deutschen Gesellschaft im Allgemeinen zu verbreiten.1 Im Jahr 1902 veranstaltete die Gesellschaft ihren ersten Kolonialkongress in Berlin, dem 1903 die Jagdausstellung in Karlsruhe folgte. Wie auch in den übrigen Teilen der Ausstellung wurden Tiere an den Wänden als Jagdtrophäen ausgestellt. Was dieses Bild so besonders macht, ist, dass die Schädel von Büffeln, Nashörnern, Elefanten und Antilopen direkt neben Kolonialwaren ausgestellt sind: die Produkte der kolonialen Landwirtschaft wie Kaffee, Kakao, Vanille und Erdnussöl. Diese ‘Rohwaren’ waren direkt neben handgefertigten Gegenständen zu sehen, wobei alles von den ‘deutschen Suahelis’ erworben werden konnte, auch um das Publikum von der Qualität und Authentizität der Produkte und des Handwerks zu überzeugen.2 Dem Katalog zufolge wurden der Jagdausstellung ethnografische Sammlungen hinzugefügt, um “ein möglichst stimmungsvolles Bild”3 der deutschen Kolonialgebiete als Ganzes zu präsentieren. Auf diese Weise wurde die Großwildjagd visuell mit natürlichen Ressourcen und den expandierenden kolonialen Märkten assoziiert, wobei die Ausstellung insgesamt eine Verbindung zwischen Jagdexpeditionen, kolonialen Waren und Handwerksprodukten und wirtschaftlichem Gewinn nahelegte.

Ein Ausstellungsplan samt Legende, die die 31 einzeln aufgeführten Räume erklärt.

Seite 2 des Offiziellen Katalogs der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung aus dem Jahr 1903 enthielt einen Ausstellungsplan mit einer Legende, in der alle 31 Räume der Ausstellung sowie die dort Ausstellenden aufgeführt und erläutert wurden.

Diese Strategie, eine Jagdausstellung mit einer kolonialen Ausstellung zu kombinieren, setzte sich über die gesamte Karlsruher Ausstellung hinweg fort, wie auf dem Plan zu sehen ist. In den Räumen wurden Tierschädel, -hörner und -häute zusammen mit Jagdausrüstung, Karten der Gebiete unter deutscher Kolonialherrschaft, Ölgemälden, sowie handgefertigten kolonialen Produkten und anderen Waren zur Schau gestellt. Die Ausstellung spiegelte einerseits die koloniale Praxis des gleichzeitigen, transdisziplinären Sammelns von Kultur- und Naturobjekten wider. Andererseits vermittelte die Ausstellungsstrategie durch die Kombination verschiedener Arten kolonialer Objekte ein Bild von Kolonialpolitik, das auch wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Objekte umfasste, um so das Potenzial kolonialer Aneignung zu verdeutlichen. Tatsächlich waren zwei der Ausstellungsräume ausschließlich der Wissenschaft gewidmet. Die ‘wissenschaftliche Abteilung’, die das Zoologische Museum Berlin organisiert hatte, zeigte Objekte aus den deutschen Kolonien, darunter Zebrahäute und Antilopenhörner.4 Ziel dieser Abteilung war es, “die Kenntnis der Tierwelt unserer Kolonien zu vertiefen”, und zwar durch die Zurschaustellung “typischer Formen” aus den verschiedenen Kolonialgebieten.5 Die Verknüpfung verschiedener Arten von Objekten und Sammlungen war ein Weg, die unterschiedlichen Disziplinen miteinander zu verbinden und gleichzeitig “das Gesamtbild der Ausstellung möglichst vielseitig zu gestalten”, wie es im Katalog lautet.6 Was uns die Karlsruher Ausstellung heute lehrt, ist, wie das Jagen, Verkaufen, Sammeln, Ausstellen, Klassifizieren und Erforschen großer Wildtiere gleichermaßen Teil der kolonialen Aneignung der jeweiligen Gebiete war.


  1. Die Deutsche Kolonialgesellschaft entstand aus der Vereinigung der Vorläuferinitiativen Deutscher Kolonialverein, gegründet 1882 in Frankfurt, und Gesellschaft für Deutsche Kolonisation, 1884 vom Kolonialverbrecher und Ideologen Carl Peters (1856-1918) zur Aufrechterhaltung der deutschen Kolonialherrschaft im damals so bezeichneten Deutsch-Ostafrika gegründet. (Das kolonisierte Territorium ‘Deutsch-Ostafrika’ umfasste die heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda sowie Teile von Mosambik.)
  2. “Raum 4: Eisengräber”. In Offizieller Katalog der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung. 2. Aufl., Karlsruhe: G. Braunschen Hofbuchdruckerei, 1903: 61.
  3. Im Original: “ein möglichst stimmungsvolles Bild”. T. Rehbock. “Vorwort”. In Offizieller Katalog der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung, 1903: 11.
  4. “Raum 2 b und c: Zoologisches Museum, Berlin”. In Offizieller Katalog der Deutsch-Kolonialen Jagdausstellung, 1903: 55.
  5. Im Original: “die Kenntnis der Tierwelt unserer Kolonien zu vertiefen”. Rehbock, 1903: 11.
  6. Im Original: “um das Gesamtbild der Ausstellung möglichst vielseitig zu gestalten”. Ebd.: 11.
Tiere als Objekte? Eine Webseite des Forschungsprojekts “Tiere als Objekte. Zoologische Gärten und Naturkundemuseum in Berlin, 1810 bis 2020”, herausgegeben von Ina Heumann und Tahani Nadim. Datenschutzerklärung | Impressum